Sprache unterliegt einem ständigen Wandel. Sie wird beeinflusst von gesellschaftlichen Veränderungen, globalen Trends oder technischen Neuerungen. Da ist es nicht für jeden Menschen einfach nachvollziehbar, warum eine genderneutrale Sprache für einige Menschen aber wichtig ist. Und nicht jeder versteht, dass mit der Aussage „Safe, Bro" unter Jugendlichen nur ausgedrückt wird, dass alles in Ordnung ist und passt wie besprochen.
Es gibt aber in Deutschland auch Menschen, die sich schwer tun, Nachrichten oder Informationen dann zu verstehen, wenn diese in formellem Deutsch verfasst sind
Im Kontext von Barrierefreiheit gehört es dazu, dass Nachrichten und Informationen allen Menschen in Deutschland zur Verfügung stehen. So kann beispielsweise eine Entscheidung nur dann selbstbestimmt getroffen werden, wenn alle dazu notwendigen Informationen vorliegen und auch verstanden werden.
Menschen, denen es schwerfällt, die deutsche Standardsprache zu entschlüsseln sind beispielsweise
geistig beeinträchtigte Menschen
Analphabeten verschiedener Typen
Menschen mit Lese-/Rechtschreibschwäche
Menschen mit geringen Deutschkenntnissen, einer anderen Muttersprache
In Deutschland sind im Jahr 2018 insgesamt 16,8 Millionen von Analphabetismus, einer geringen Literalität oder einer Lese-/Rechtschreibschwäche betroffen. Das sind 16,8 Millionen Menschen, die nicht richtig lesen und schreiben können. Diese Daten wurden im Rahmen der LEO-Studie (Leben mit geringer Literalität der Öffentlichkeit) im Jahr 2018 von der Universität Hamburg erhoben. Die Studie schlüsselt die Zahlen noch etwas genauer auf. 6,2 Millionen Menschen zählen zu der Gruppe mit geringer Literalität. 300.000 Menschen davon können nur wenige Wörter auf Deutsch lesen und verstehen und zählen zu Typ 1 der Literalität. Typ 2 beschreibt 1,7 der 6,2 Millionen Menschen. Diese sind in der Lage, kurze Sätze zu verstehen und kurze Texte zu lesen. Hier spielt oft eine Aufmerksamkeitsstörung oder geistige Beeinträchtigung eine große Rolle. Und der größte Teilbereich dieser Gruppe ist Typ 3 mit 4,2 Millionen Menschen, die in der Lage sind, etwas längere Sätze zu lesen und zu verstehen. Menschen mit einer Lese-/Rechtschreibschwäche gehören zum Typ 4 und umfassen im Jahr 2018 10,6 Millionen. Man geht davon aus, dass die Fähigkeiten zu Lesen und zu Schreiben dem Stand eines Kindes entspricht, dass die 4. Grundschulklasse abgeschlossen hat.
Mit einer leichten, einer einfachen und einer klaren Sprache soll die sprachliche Integration gelingen
Aber was bedeuten diese Begriffe jetzt genau, und wann werden sie verwendet?
Die leichte Sprache unterliegt festen Regeln
In Deutschland sind diese, wie sollte es anders sein, in einer DIN-Norm verankert. Die DIN-Norm 33429 legt die Anforderungen an die Deutsche Leichte Sprache fest. Sie enthält spezifische Regeln und Richtlinien, wie Texte verfasst werden sollten, um für Menschen mit eingeschränktem Sprachverständnis verständlich zu sein. Die Universität Hildesheim hat ergänzend dazu ein Regelbuch verfasst, und auch die Europäische Union gibt Empfehlungen für Leichte Sprache. Zusätzlich regelt in Deutschland die BITV (Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung), dass öffentliche Stellen ihre Informationen in Leichter Sprache bereitstellen müssen, um Barrierefreiheit zu gewährleisten. Die leichte Sprache richtet sich an Menschen mit geringer Literalität der Typen 1 bis 3, also an alle, die kaum oder nur eingeschränkt lesen und schreiben können; sei es durch eine geistige Beeinträchtigung oder Erkrankung oder weil Deutsch eine Fremdsprache ist. Die angewandten Wörter sind sehr einfach und kurz, ebenso wie die verwendeten Sätze. Aufzählungen und Bilder unterstützen das geschriebene Wort zu einer besseren Verständlichkeit.
Im Journalismus ist oft die einfache Sprache gefragt
Die Einfache Sprache unterscheidet sich von der Leichten Sprache dadurch, dass sie einen wesentlich größeren Wortschatz nutzt und auch längere Sätze und Texte verwendet. Sie unterliegt keinen festen Regeln, sondern Empfehlungen, wie eine Einfache Sprache umgesetzt werden kann. Für Journalisten und Journalistinnen sind diese Empfehlungen oft nicht neu. Vor allem im Verbraucherjournalismus und im Bereich der Nachricht geht es darum, klar strukturierte Informationen zu liefern. So ähnlich funktioniert auch die Einfache Sprache. Die Wörter benennen die Sache genau, anstatt sie zu umschreiben. Die Sätze beinhalten maximal ein Komma und werden im Aktiv und nicht im Passiv formuliert. Fachbegriffe und Fremdwörter werden erklärt. Und was zusammengehört, wird auch zusammen dargestellt. Die Trennung von Verben mit zahlreichen Zwischeninformationen lässt sich schlecht lesen und verstehen. Ein Beispiel:
Die Mutter riss das Haus, in dem bereits ihre Großmutter gewohnt hatte und das vor mehr als hundert Jahren erbaut wurde, ab.
Das Verb „abreißen" wurde in diesem Satz von weiteren Informationen unterbrochen und lässt sich so nur schwer verstehen. Besser ginge dieser Satz so:
Die Mutter hat das alte Haus abgerissen. Ihre Großmutter hatte dort früher gewohnt. Das Haus wurde vor mehr als hundert Jahren gebaut.
Diesen Satz können jetzt auch Grundschulkinder gut verstehen. Allerdings ist sofort zu merken, dass die Sprache etwas hölzern klingt. Daher ist die Idee, alle Texte nur noch in Einfacher Sprache zu verfassen, keine gute. Die Sprache verliert an Lebendigkeit und Farbe und wird auf das Wesentliche reduziert.
Wann ist denn Einfache Sprache sinnvoll?
Einfache Sprache sollte immer dann zum Einsatz kommen, wenn Informationen transportiert werden, die für jeden verständlich sein müssen. Dazu zählen neben anderen
Gesundheit und Medizin: Patienteninformationen, Aufklärung über Krankheiten und Behandlungen, Medikamente.
Recht und Verwaltung: Formulare, Anträge, Bescheide, Gesetzestexte.
Bildung: Lernmaterialien für Kinder, Menschen mit Lernschwierigkeiten, und Erwachsenenbildung.
Finanzen: Bankinformationen, Versicherungsdokumente, Steuererklärungen.
Soziales: Informationen für Migranten, Arbeitslose, Senioren und Menschen mit Behinderungen.
Technologie: Gebrauchsanweisungen, Softwareanleitungen, technische Support-Dokumente.
Öffentlicher Verkehr: Fahrpläne, Ticketinformationen, Sicherheitsanweisungen.
Nachrichten und Medien: Nachrichtenportale, Informationssendungen, öffentliche Kommunikation.
Notfall- und Katastrophenschutz: Evakuierungspläne, Notfallanweisungen, Sicherheitsinformationen.
Marketing und Verbraucherinformationen: Produktbeschreibungen, Werbematerialien, Gebrauchsanweisungen.
Beim Thema Werbematerialien allerdings scheiden sich die Geister. Werbung lebt oft von Witz und Satire, aber Sarkasmus und Späße sind nicht Bestandteil einer Einfachen Sprache, denn sie werden oft nicht verstanden. Verbraucherinformationen und Gebrauchsanweisungen sollten jedoch gut verständlich sein. Nur allzu oft wird zwar über die KI-Übersetzung der Gebrauchsanweisung aus dem Chinesischen gelacht, hilfreich ist es im Endeffekt aber nicht. Und da taucht auch gleich der nächste Aspekt der Einfachen Sprache auf:
Das kann doch alles eine KI, oder?
Na ja. Eine KI kann grundsätzlich die deutsche Standardsprache in eine Einfache Sprache übersetzen. Die Frage ist nur, ob Sie das für Ihre Leserinnen und Leser möchten. Ein Ratgeber, der nur in Einfacher Sprache verfasst ist, wird Leserinnen und Leser ohne sprachliche Einschränkungen unterfordern, langweilen und im schlimmsten Fall beleidigen. Das Fazit wäre, dass Ihre Ratgeber weniger anstatt mehr gelesen würden. Auch das Umschreiben eines Standardtextes in Einfacher Sprache ist mehr, als das Umformulieren einzelner Sätze. Es geht darum, Zusammenhänge einfacher zu erklären, mehr Abbildungen zu verwenden, das Wichtigste zuerst zu nennen, Unwichtiges zu streichen oder nur am Rande einzufügen. Diese Auswahl sollten Sie für Ihre Kunden und Kundinnen aber immer noch selbst treffen und nicht einen Computer berechnen lassen.
Informationen und Ratgebertexte sollten immer derart gestaltet sein, dass sie möglichst viele Leserinnen und Leser erreichen. Ohne eine gute Lesbarkeit der Texte geht das Interesse oft verloren. Möchten Sie Ihre Informationen zusätzlich in Einfacher Sprache anbieten, gilt es darauf zu achten, die Sprache zu vereinfachen, ohne Inhalte einbüßen zu müssen!
Ein gutes Beispiel für einfache Sprache sind beispielsweise Nachrichten, die speziell für Kinder aufbereitet wurden.
Eine klare Sprache kommt in Film und Fernsehen zum Einsatz
In den Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten finden Sie vermehrt Angebote mit einer sogenannten klaren Sprache. Dahinter steht ein Film mit einer überarbeiteten Tonspur, sodass sich die Sprache in der Sendung besser verstehen lässt. Dabei wird nicht der gesprochene Inhalt verändert, sondern störende Hintergrundgeräusche wie Musik oder Lärm werden ausgeblendet, informiert die ARD.
Aus eigener Erfahrung kann ich bestätigen, dass Ablenkungen das Verstehen einer Fremdsprache erschweren. Mir geht es mit Arabisch so. Ich verstehe die Umgangssprache im Allgemeinen ganz gut. Telefonieren auf Arabisch, wenn ich den Teilnehmer nicht sehen kann und noch störende Geräusche dazu kommen, fällt mir schwer. Aber Arabisch ist ja auch keine einfache Sprache; jedenfalls nicht für mich.
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