Ich bin eingeladen als Jurorin zum Wacken Metal Battle nach Tel Aviv. Dass die verantwortliche Organisatorin des Wacken Metal Battle für Middle East, meistens wohnhaft in Kairo, als Jurorin nach Tel Aviv in Israel fliegt, das ist politisch eigentlich nicht vorgesehen. Dank meines deutschen Passes ist es dennoch möglich, und somit wollten wir das politisch eigentlich Undenkbare möglich machen und mit der Musik ein Zeichen des Friedens und der Völkerverständigung setzen. Neben all dem Vergnügen, das wir uns für die Tage in Tel Aviv versprachen. Gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen aus Israel, Schweden, Österreich/Ungarn und Kaukasien/Türkei sollte ich in dem israelischen Finale des Metal Battles über die Gewinnerband mitentscheiden. Wir wollten aber am Freitag vorher nach Jerusalem und natürlich auch an den Strand in Tel Aviv und eine gute Zeit unter Promoter-Kollegen verbringen. Im Rahmen meiner Recherche über die Stadt und auch mit der Vorfreude auf Jerusalem wurde Tel Aviv in den letzten Wochen eine Art Sehnsuchtsort.
So fuhr ich dann gestern am späten Vormittag gut gelaunt mit einem Fahrer durch Kairo und freute mich, dass alles wie immer im Mai so schön blüht. Ich war froh und auch dankbar, dass ich hier leben darf und unglaublich stolz, auch nach Tel Aviv eingeladen zu sein. Strahlend saß ich im Taxi, nichtsahnend, dass ich bereits nachts wieder zurück in Kairo sein würde.
Ausnahmsweise werde ich über meine Reise nach Tel Aviv einmal das schreiben, was ich sonst nie schreibe - ein Reisetagebuch
Reisetagebücher und -blogs gibt es bereits haufenweise im Internet, sodass ich eigentlich der Meinung bin, dass es nicht noch einen Reiseblog benötigt. Aufgrund der besonderen Situation, nämlich als verantwortliche Organisatorin des Metal Battles in Middle East in Israel als Jurorin dabei zu sein, wollte ich jedoch nicht nur über die Reise schreiben, sondern auch einen Blick hinter die Kulissen werfen. Musikalisch, organisatorisch, menschlich. Und postete aus dem Cafe des Terminal 1 in Kairo freudig über meine geplanten Notizen.
Bis ich dort im Cafe saß, war es aber schon anstrengend. Das Terminal 1 ist der alte Flughafen von Kairo und wird vorrangig für Inlandsflüge genutzt. Es ist weniger schick und irgendwie sehr leer und kalt. Mir fiel bereits bei der Ankunft auf, dass dort fast nur Ägypter anzutrafen waren. Zwei Stunden vor Abflug stand ich beim Security-Check, und dorthin hatten sich auch einige Touristen verirrt. Diese waren aber etwas verunsichert, weil der Security-Check einfach nicht geöffnet wurde und der verantwortliche Security-Officer mit seinem Smartphone beschäftigt war und nur eine Antwort kannte - lissa (noch nicht). Erst, nachdem sich einige Gäste beschwert hatten, bequemte man sich, den Security-Check in Betrieb zu nehmen. Nach dem Check-In war es aber noch nicht möglich, ans Gate zu gelangen, denn auch dieser Security-Check war geschlossen und dann erst per Aufruf für die Gäste nach Sharm-El-Sheikh zugänglich. Am Gate fiel mir auf, wie ohrenbetäubend laut es war, weil gefühlt jeder Ägypter entweder über Lautsprecher Tiktok-Videos oder Reels auf Insta oder Facebook ansah oder lauthals, natürlich auch über Lautsprecher, mit irgendjemandem telefonierte. Die wenigen Touristen waren sichtlich genervt, und ich war froh, dass es nicht nur mir so ging. Der Flug ging dann aber schnell und problemlos, und wir hatten einen großartigen Anflug auf den südlichen Sinai. Vom Flugzeug aus waren das türkisfarbene Wasser, die Riffs und die weißen Tauchbote sehr gut erkennbar. Und wieder einmal dachte ich, was für ein tolles Land das doch ist.
Ich kann es nicht leiden, wenn mir jemand ungefragt zu nahe kommt
In Sharm El Sheikh ging alles ruckzuck, und fünf Minuten nach der Landung stand ich bereits draußen. Ich fragte mich durch, wo ich denn zum Anschlussflug hin müsse, und nach fünf Minuten hatte ich die Abflughalle gefunden. An der Information sagte man mir, ich solle ab 17 Uhr wieder zum Check-In zurück sein. Bis dahin waren gut zwei Stunden Zeit, und ich entschied, am Strand eine Shisha zu rauchen. Vor der Abflughalle fuhr gerade ein Taxi, nach Fahrgästen Ausschau haltend, vorbei. Ich rief "Taxi", verhandelte kurz den Preis, 300 LE, viel zu teuer aber für Sharm leider inzwischen üblich, und stieg ein. Nach ein paar Metern sprang ein Mann, der vom Haupttaxistand vor der anderen Ankunftshalle kam, auf das Taxi zu. Er schrie den Fahrer an und dann schrie er mich an. Was ich für einen Preis ausgemacht hätte und er wäre hier der Chef und ich müsse ein anderes Taxi nehmen. Ich sagte zu ihm, ich wäre zufrieden und wollte in dem Taxi bleiben. Soweit so gut. Dann lief aber dieser Mensch um das Taxi herum und riss meine Autotür auf - und da bin ich richtig wütend geworden.
Ich kenne das noch aus den ersten Jahren aus Kairo. Wenn man damals, so 2013/2014 zu den Pyramiden fuhr, sprangen einige Männer während der Zufahrt zum Eingang des Areals auf die Motorhaube des Taxis, um den ahnungslosen Touristen zu erzählen, das Hinauffahren wäre verboten und man müsse mir ihrer Pferdekutsche fahren. Das war natürlich Unsinn und hat viele Touristen verschreckt und eine sehr unangenehme Erinnerung an den Pryramidenbesuch hinterlassen, das Internet ist voll von solchen Berichten. Ich tat also in dieser Situation das Einzige was hilft. Ich hab ihn angeschrieben er solle weggehen. Dann bin ich ausgestiegen und hab ihn so lange angeschrien, bis die Polizei kam. Das ursprüngliche Taxi war weg, aber siehe da, ich durfte dann das nächste Taxi, das, wie viele andere auch, langsam nach Kundschaft Ausschau haltend an der Abflughalle vorbei fuhr, mitfahren. Dieser Taxifahrer brachte mich nicht nur in Strandnähe, sondern gab mir gottlob auch seine Visitenkarte. Ich rauchte eine sündhaft teure Shisha für 250 LE mit Blick auf den Strand und freute mich über diese Pause. Der besagte Taxifahrer holte mich am vereinbarten Treffpunkt um fünf wieder ab, und ich war pünktlich für die Weiterreise am Security-Check, um nach Tel Aviv aufzubrechen.
Welchen Pass haben Sie?
Die Security-Kontrolle verlief problemlos und schnell. Ich traf einen Mitreisenden wieder, der mit mir aus Kairo angereist war. Nach einem kurzen Hallo stellte sich heraus, dass er auch nach Tel Aviv fliegt. Wir gingen gemeinsam zu den Check-In-Schaltern. Dort wunderten wir uns, warum wir hinter Absperrbändern warten mussten. Eine junge Frau mit sehr guten Englischkenntnissen ließ immer nur zwei Personen durch, die dann eine Befragung über sich ergehen lassen mussten. Als wir dann an der Reihe waren, wurden wir als erstes gefragt, was für Pässe wir hätten und woher wir kämen. Die Dame suchte in meinem Pass nach meinem Einreisestempel. Nachdem ich regelmäßig zwischen Deutschland und Kairo hin und her fliege, war sie etwas verwirrt von den vielen Stempeln und ich fragte sie, ob sie mein Visum, meine Residenz-Karte, sehen wolle. Ob ich denn heute aus Deutschland in Sharm gelandet sei, wollte sie wissen. Ich antwortete wahrheitsgemäß, dass ich aus Kairo angereist sei. Sie nahm meinen Pass und mein Visum und meinte, wir sollten am Rand warten, der Manager müsse entscheiden, ob ich fliegen dürfe. Für meine Zufallsbekanntschaft galt das gleiche. Ich war verwirrt und verunsichert und schickte als erstes eine Nachricht an unsere Promoter-Gruppe, die auf meine Ankunft wartete. Unsere Ausweise wurden an einen Manager weiter gegeben. Die Dame sagte uns, dass man uns Bescheid gäbe, ob wir fliegen dürfen. Wenn ja, würde sie uns interviewen, wenn nicht dann leider nicht. Wir wurden an die Seite gezogen, und man reichte uns nacheinander ein Telefon. Am anderen Ende war ein Manager, der sich aber namentlich nicht vorstellte, uns aber erklärte, wir dürften diesen Flug nicht nehmen. Wir waren pünktlich am Check-In, wir hatten gültige Tickets und gültige Ausweisdokumente. Aber man verweigerte uns und noch weiteren Passagieren den Flug nach Tel Aviv. Mit der Begründung, dass das ein Charter-Flug sei, den wir nicht nehmen dürften, weil das aufgrund eines Gesetzes verboten sei.
Mein Kollege in Tel Aviv hatte inzwischen versucht, das Büro von Israir in Tel Aviv zu erreichen, aufgrund eines Feiertags war da aber niemand mehr. In Sharm El Sheikh hat die Fluggesellschaft kein Büro. Wir waren also den ägyptischen Managern ausgeliefert. Der zugegebenermaßen freundliche Officer erklärte uns, wir könnten mir dem Auto nach Tel Aviv fahren - obwohl es dort gerade keinen Bus oder einen Mietwagen gab - oder mit Turkish Airlines über Istanbul fliegen. Unser Entsetzen war groß, denn finanzieren müßten wir die Flüge natürlich selbst. Es gäbe aber eine Chance, eine Ausnahme von der Aviation Security zu bekommen. Wir wurden mehr oder weniger freundlich wieder rückwärts aus dem Security-Bereich herausbegleitet und fanden uns später an einem Infobüro wieder.
Dort erklärten uns gleich drei freundliche aber handlungsunfähige Männer, das wäre ein Gesetz, wir hätten Pech gehabt, dass uns weder das Reisebüro noch die Airline vorab darüber informiert hatten. Fast klang es ein wenig stolz, als sie berichteten, dass sie einen Tag vorher über 50 amerikanische Fluggäste wieder weggeschickt hätten. Was uns aufgeregt hat war die Tatsache, dass man sich weigerte, uns ein Dokument auszustellen, auf dem bestätigt wird, dass man sich in Sharm El Sheikh geweigert hatte, uns den Flug antreten zu lassen. Wir bekamen das allübliche ma3lesh zu hören und durften ein Foto vom Ausweis des Officers machen. Wir sollen sagen, er hätte gesagt, wir dürfen nicht fliegen. Und dann standen wir da. In diesem Moment fiel es mir sehr schwer, dieses Land noch schön zu finden. In diesem Moment konnten keine Strände und keine Blüten punkten, sondern es wurde mal wieder sehr deutlich, wie anstrengend in Kairo und Ägypten alles ist.
Es gibt in Ägypten tatsächlich ein Gesetz bezüglich Charterflüge
In den Unterlagen von Opodo, über die ich, inklusive eines sogenannten Prime-Services, gebucht hatte, gab es einen Hinweis, ich hätte eine lange Wartezeit und ich müsse mein Gepäck abholen und wieder komplett neu einchecken. Dass ich einen Charterflug gebucht hatte, war nirgendwo vermerkt. Ich bekam von Opodo einen Hinweis auf die neue Flugzeit wegen der Sommerzeitumstellung, das war es. Ich hatte im Internet noch geschaut, weil ich wissen wollte, ob ich online einchecken könne. Der auch von mir gebuchte Flug geht drei mal wöchentlich von Sharm nach Tel Aviv, im Sommer angeblich fünf mal. Ich war also davon ausgegangen, dass es sich um einen regulären Flug handelt.
Ich muss dazu sagen, dass ich seit dreißig Jahren geschäftlich und privat fliege, zwischen Tokio, New York und San Jose, nach Rio, in ganz Europa, in Ägypten, nach Thailand, Abu Dhabi und Beirut. Aber sowas ist mir in meinem ganzen Leben noch nicht passiert.
Alle Rückflüge nach Kairo waren ausgebucht. Bei Opodo war über die App niemand zu erreichen, das Netz war schlecht, das Login klappte nicht, Telefonnummern standen nicht zur Verfügung, Chat war nicht erreichbar. Toller Prime-Service. Geistesgegenwärtig buchte ich den nächsten Bus zurück nach Kairo, rief den Taxifahrer erneut an und ließ mich zur GoBus-Station fahren. Nachts um drei war ich zurück in Kairo. Geschockt, ernüchtert, frustriert und übermüdet.
Tatsächlich gibt es in Ägypten ein Gesetz der Aviation Security, das besagt, dass man aus Ägypten heraus nur dann einen Charterflug nehmen darf, wenn man auch mit einem Charterflug eingereist ist. Ist man bereits länger in Ägpyten, kann einem die Rückreise mit einem Charterflug verweigert werden. Genau das war passiert. Wäre ich gestern aus Deutschland in Sharm El Sheik gelandet, also international angereist, hätte ich nach Tel Aviv fliegen dürfen. Wäre ich mit einem Charterflug von Israir eingereist, hätte ich auch fliegen dürfen. Ich war aus München wie immer über Kairo mit einem regulären Flug eingereist und stand dann dumm und nichtsahnend da. Den Hinweis über das Charter-Gesetz kann man auch auf den Reisehinweisen der Deutschen Botschaft nachlesen. Doch um das Gesetz einzuhalten, muss man erstmal wissen, dass man angeblich einen Charterflug gebucht hat. In Israel ist derzeit Feiertag, sodass derzeit keine Informationen dazu erhältlich sind. Opodo hat meines Erachtens hier grob fahrlässig gehandelt, und ich habe bereits mein Geld zurückverlangt.
Warum es dieses Gesetz gibt, habe ich bislang noch nicht recherchieren können. Auch fehlt mir noch ein Statement von Israir, warum ihre Kunden nicht informiert werden. Ich weiß nur, dass es bei Charter- und Linienflügen darum geht, wer die Verantwortung trägt. Bei Charterflügen ist für die Sicherheit der Passagiere und das Gepäck das Reisebüro verantwortlich, bei Linienflügen die Airline. Ich fühlte mich gestern total verunsichert. Erst dachte ich, es gäbe ein Problem mit meinem Ausweis. Habe ich doch einmal etwas geschrieben, was nicht erwünscht ist? Stehe ich auf irgendeiner Blacklist als Journalistin? Ich halte mich bewusst bedeckt mit meinen Veröffentlichungen und schreibe sehr dezent, aber das sind dennoch immer meine ersten Gedanken. Meine weiteren Gedanken kreisten um Bekannte von mir, die sich derzeit sorgen, ob sie das Visum für ihren Auftritt in Wacken erhalten. Das erste Mal in meinem Leben konnte ich mir halbwegs vorstellen, wie es sich anfühlen könnte, wenn ein Visum abgelehnt wird. Aus Gründen, die rechtlich vielleicht korrekt aber menschlich wenig nachvollziehbar sind. Da steht man dann da und darf nicht reisen. Was für eine Welt ist das? Und ich frage mich, ob dieses Land trotzdem noch schön ist, oder ob ich nicht doch ein neues Zuhause benötige.
Tel Aviv jedenfalls ist ein Sehnsuchtsort geblieben, und ich habe heute viele Tränen vergossen bei dem Gedanken daran, dass meine Kollegen heute in Jerusalem waren. Tel Aviv steht auf meiner Bucket List, und spätestens im Herbst werde ich meinen Besuch dort nachholen. Jetzt erst recht.
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