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Autorenbild@Nika

COP27 in Ägypten - Was bleibt?

Aktualisiert: 3. Dez. 2022


Vor knapp zwei Wochen endete der 27. Klimagipfel COP27 in Sharm El Sheikh, Ägypten. Die Welt dreht sich weiter, und die Medien konzentrieren sich derzeit auf die Fußballweltmeisterschaft in Katar. Die offiziellen Papiere der COP27 sind verabschiedet. Und, war es das? Zwei Projekte in Ägypten rund um die COP27 als Beispiele für Engagement im Zusammenhang mit der Klimakonferenz.


Ägypten hatte im Vorfeld der Konferenz immense Anstrengungen unternommen, um den Ansprüchen eines nachhaltigen Gastgebers gerecht zu werden - in puncto Transport, Unterkunft, Müllmanagement, Energieversorgung und Tourismusmanagement. Unter anderem berichtete jedoch "The National", dass die Vorbereitungen in Sharm El Sheikh, wie beispielsweise die Anschaffung von Elektrobussen und die Einweihung eines neuen Busterminals oder die Installation von Solaranlagen, erst wenige Monate vor der Konferenz begonnen hätten. Allerdings fehlten in der Berichterstattung weitere Hintergründe für die Kurzfristigkeit, sodass es bösartig wäre zu behaupten, man hätte noch schnell das Image aufpolieren wollen.


In Kairo kann man bei solchen Schlagwörtern nur die Stirn runzeln angesichts des Alltags in der Millionenstadt. Hier in Downtown hatte man einige Wochen von Beginn der Konferenz einige Fahrradstationen mit Mietfahrrädern installiert und einspurige Fahrradwege mit knallgelben Bumpern markiert. Dass die Radwege vorwiegend von Fußgängern und Mopedfahrern genutzt werden, liegt unter anderem daran, dass die Nutzung von Fahrrädern in Downtown nur marginal zugenommen hat. Unter anderem mag das daran liegen, dass das Mieten der Fahrräder doch etwas umständlich ist. Regelmäßig werden die Fahrräder gewartet, denn es dauerte nur einige Tage, bis die noch nicht mal ausgewickelten Fahrräder als Sitzbank oder die Fahrradkörbe als Abfalleimer zweckentfremdet wurden. Als ich mich erkundige, welche Voraussetzungen für das Mieten notwendig seien, wurde mir von einer jungen Frau an der Mietstation in Al Borsa erklärt, ich müsse eine App herunterladen. Dennoch war ich verwirrt, denn ich fand an den Fahrrädern keinen Code, den ich scannen könnte. Von Deutschland kenne ich die Apps so, dass ich den Code am Fahrrad oder Scooter scanne, dann einen Öffnungscode für das Schloss bekomme und losfahre. In Kairo muss ich in die App die Fahrradnummer eintippen - doch losfahren kann ich dann immer noch nicht. Die Fahrräder sind mit einem mechanischen Schloss gesichert. Etwas verunsichert frage ich die junge Frau, wie ich denn das Schloss öffnen könne. Sie streckt mir grinsend einen Schlüssel entgegen und sagt, sie hätte den Schlüssel. Sie ist quasi die Herrin der Fahrradschlösser an der Station Al Borsa und teilt sich diese Aufgabe mit einem jungen Mann.

(c) Cairo Governorate

Außer neuen Fahrradstationen haben wir in Kairo ansonsten die COP27 auch nur in den Medien mitbekommen. Die gefürchteten Demonstrationen am 11. November blieben aus. In Downtown standen an jeder Ecke Polizei, Straßensperren waren zur Hand und Krankenwagen positionierten sich in Reichweite. Außer einem Autokorso, der allerdings lautstark seine Sympathie für und nicht gegen die Regierung kund tat, blieb es allerdings bei der Polizeipräsenz. Das war es jetzt mit der Klimakonferenz? Oder gibt es was, was nachhaltig geblieben ist?


Zu zwei Projekten rund um die Konferenz hatte ich Kontakt und frage nach. Weil Momente mit den größten Emotionen am längsten in Erinnerung bleiben, erkundige ich mich zunächst ohne weiteren Hintergrund: "Und? Wie war es in Sharm El Sheikh?". Die eine Antwort lautete: "Cool, aber überall besoffene Russen." Die zweite Antwort war: "Ja, spannend. Aber wir mussten 100 Dollar für das Taxi zum Flughafen zahlen." Diese ersten und eher zufälligen Reaktionen spiegeln leider ein Bild Ägyptens wieder, das sich in der letzten Zeit manifestiert hat. Nachhaltig, aber wohl nicht im positiven Sinne. Die sozialen Hintergründe dafür aufzuzeigen bedarf aber einer weiteren Kolumne und würde hier zu weit führen.


Es lohnt sich aber, einen Blick auf die beiden Projekte rund um COP27 zu werfen. Unter der Federführung der Deutschen Evangelischen Oberschule (DEO) in Kairo, mit Urte Mein und Suzanna George als verantwortliche Lehrkräfte, hatten Schülerinnen und Schüler im Rahmen des Projektes MUN (Model United Nations) die COP27 im Vorfeld simuliert. Ich durfte auf dem abschließenden Diplomatenball mit unserer Bigband dabei sein und die Abschlussveranstaltung erleben. Es wurden die Ergebnisse der jeweiligen Diskussionsrunden zu den Themen der COP27 von den jungen Leuten vorgestellt. Das Positive daran war nicht nur, dass sich die Schülerinnen und Schülern mit Themen wie Menschenrechte, Umwelt oder Energieversorgung auseinandersetzen mussten. Oder sich in Diskussionen und Präsentationen übten. Es blieb nicht nur bei der Simulation, sondern Gespräche mit den in Kairo ansässigen Botschafter:innen der verschiedenen Nationen fanden im Rahmen des MUN-Projektes im Tagungshotel in West-Kairo statt. Es war faszinierend zu sehen, wie engagiert und ernsthaft die Themen behandelt wurden und mit wie viel Redegewandtheit und Selbstbewusstsein die abschließenden Präsentationen erfolgten. Berührend und verbunden mit Hoffnung und Optimismus für das Land Ägypten, das im Alltag noch mit ganz anderen Problemen zu kämpfen hat. Die ARD hat das MUN-Projekt unter anderem in folgendem Beitrag zusammengefasst:


Auf ganz andere Art haben sich die Künstlerin Aya Tarek und der Schweizer Musiker Simon Petermann mit dem Thema der Weltklimakonferenz auseinandergesetzt. Unter dem Titel "Waking the Giants" realisierten sie eine audio-visuelle Ausstellung, basierend auf Klimadaten der ETH Zürich. Unterstützt wurde das Projekt unter anderem von der Schweizer Botschaft in Kairo und Pro Helvetia, für die Produktion zeichnete B’sarya for Arts aus Alexandria verantwortlich. Aya Tarek ist eine Malerin, Straßenkünstlerin und Illustratorin aus Alexandria. Ihr Portfolio konnte sie neben Ägypten bereits international, unter anderem in Deutschland, den USA und im Libanon, präsentieren.


Simon Petermann lernte ich 2019 auf dem Jazzfest in Cairo als Leiter des Fishermanns Orchestra kennen. In der Schweiz ist er unter anderem als Musiker der modernen Jazzmusik bekannt. Der Berner Posaunist, Komponist, Improvisator, Bandleader und Produzent konzentriert seine Arbeit auf zeitgenössische Improvisationsformen und die klangliche Erweiterung der Posaune durch Live-Elektronik.

©RolandJukerFotografie | li. Aya Tarek, re. Simon Petermann

Aus Klimadaten wie dem Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur oder dem Anstieg des Meeresspiegels generierte Aya Tarek über 350 Bilder, die über drei überdimensionale Bildschirme vorwärts und rückwärts liefen und den Zuschauer von den Pyramiden Ägyptens bis in die Schweiz mitnahmen. Die Intensität der Bilder entstand durch die stetig wechselnden Perspektiven und wurde durch die Komposition von Simon Petermann eindrucksvoll unterstrichen. In der Live-Performance zu den Bildern erklang nicht nur die Posaune, sondern auch besagte Live-Elektronik. Die Posaunenpattern wurden während der Präsentation aufgezeichnet und im Folgenden wieder mit in die Performance eingebunden. Vielschichtig, komplex und intensiv wie das gesamte Thema, beeindruckend umgesetzt. Das Projekt wurde in Ägypten und in der Schweiz realisiert.


Auf die Frage, was denn nach dem einjährigen Projekt bliebe, antwortet Simon vor allem mit persönlichen Erfahrungen. Er nennt es das Abenteuer Ägypten, mit dem er neue Freunde gewonnen und eine neue Kultur durch die Zusammenarbeit kennengelernt hat. Herausforderungen, wie unterschiedliche Verhandlungsweisen, eher sachlich seinerseits und eher emotional seitens der ägyptischen Projektpartner:innen, machten das Projekt spannend. Vorbehalte seitens der Ägypter:innen, an dem Projekt zu arbeiten, bis alle Verträge unterschrieben sind, kenne ich aus meinen Projekten in Kairo auch. Hintergrund ist der, dass alle paar Jahre die Expats in Kairo wechseln und mit ihnen immer neue Projektideen ins Land getragen werden. Aus den verschiedensten Gründen lassen sich aber zahlreiche Ideen nicht verwirklichen. Und bevor die Enttäuschung wieder groß ist, vermeidet man eine eventuelle Enttäuschung durch vorsichtige Zurückhaltung. Umso spannender und lobenswerter, dass dieses interkulturelle Projekt realisiert werden konnte. Die Ausstellung fand vom 2. bis 10. November in der Factory (ehemals Townhouse) in Downtown Kairo statt und erreichte etwa 400 Menschen. Zudem konnte das Projekt auf der COP27 in Sharm El Sheikh präsentiert werden und fand großen Anklang. Damit das Ergebnis der einjährigen Erarbeitung und Umsetzung nicht verloren geht, gibt es Überlegungen, das Projekt auf einer Internetseite abzubilden. Zudem möchte Simon die Musik aufnehmen und veröffentlichen. Das Projekt steht aber für weitere Ausstellungen zur Verfügung und kann eventuell auf der COP28 in den Vereinigten Emiraten im Jahr 2023 fortgesetzt werden.


Wenngleich beide Projekte keine Millionen an Klicks oder tausende von Besuchern erreicht haben - für alle Beteiligten bedeuten sie eine Lebenserfahrung, die den weiteren Lebensweg mit beeinflussen kann. Erinnerungen, die Kunst und die Musik bleiben und sind weiterhin abrufbar. Und Ägypten hat mit der COP27 und den damit verbundenen, verschiedenen Projekten gezeigt, dass es mehr zu bieten hat als Pyramiden. Auch, wenn nicht alles perfekt ist.

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